Blut und Küsse

Ich habe (mir selbst) eine Fortsetzung versprochen. Hier ist sie.

Aber zuerst: Es war schon ziemlich geil, mal wieder einen Gayclub zu besuchen. (Aber musste es mich dafür wirklich bis nach Vilnius verschlagen?)
Ich muss dazu gleich festhalten: Ich mag weder Lesben- noch Gayclubs. Sie sind düster und langweilig. Düster muss ja scheinbar sein, damit man in den Ecken ungestört herummachen kann. Langweilig. Sowohl die Clubs als auch das Herummachen. Jedenfalls wenn man an Letzterem nicht selbst beteiligt ist. Ich gehe ja auch nicht hin, um irgendwen abzuschleppen. Hell, no! Aber mit Frauen zu lachen und zu trinken, von denen jede Einzelne lesbisch (und meist auch horny) ist, ist schon geil. Auch cool: Nach den üblichen Eingangsfragen nach Namen und Herkunftsort, kommt meist natürlich ganz schnell das „Und was machst du so?“. Natürlich könnte ich eine Menge Unsinn antworten, doch das Wort „Pilotin“ sorgt ganz schnell dafür, dass in kürzester Zeit das Herummachen in den Ecken aufhört und sich eine dicke Traube notgeiler Lesben (und auch einige Schwule) um einen versammelt und man sich vorkommt wie eine Präsidentschaftskandidatin. Das ist cool.
Warum? Weil ich mir dann in aller Ruhe eine Kandidatin aussuchen kann, mit der ich in der folgenden Stunde in einer dunklen Ecke herummachen kann. (Ha!) Diesmal waren es zwei. Warum das so einfach ist? Pilotin = Uniform = Geil! Wir Lesben sind doch so berechenbar!
Das ist eigentlich an solchen Abenden alles, was ich will und ich sage es allen Beteiligten auch vorher: Herummachen, sonst gibt es nichts. Herumknutschen und mit Titten spielen. An meine Möse lasse ich niemals eine, denn ich kann ja nicht wissen, wer sich die Finger wäscht, wer nicht und wo die Grabscherchen vielleicht vorher drinsteckten. Also fällt alles unterhalb der Gürtellinie weg, aber der Rest ist ja schließlich auch nicht zu verachten. (Es ist übrigens auch ganz und gar nicht zu verachten, mit zwei Frauen gleichzeitig „herumzumachen“ – GEILES WORT! – und theoretisch wären ja auch drei möglich: links, rechts und knutschen. Ich muss das mal ausprobieren.)
Aber das geht natürlich alles nur eine gewisse Zeit, vor allem wenn ich ständig damit beschäftigt bin, Finger abzuwehren, die versuchen mir an die Möse zu gehen.
Aber – grosses ABER – die Mädels dort waren toll. Eine der beiden habe ich zwar überhaupt nicht verstanden (Litauisch und Russisch), während die andere genug erotisches Englisch konnte, um die Sache mit Dirty Talk zu würzen. Aber selbst mein rudimentäres Russisch (Da! Da! Da!) reichte, um mir den Tequila von den Nippeln saugen zu lassen. Alles in allem ein positives Erlebnis, auch wenn ich keine Visitenkarten verteilt habe.
Zum Stammgast werde ich ganz sicher auch nicht. Wenn ich ficken will, gehe ich in „normale“ Clubs, Klamottenläden und Straßencafés. In Uniform. (Und wenn ich richtigen Sex und megageile Orgasmen haben will, habe ich ja immer noch meine Dämonin, die zu nichts anderem gemacht worden ist, um die Menschen mit tausend Höhepunkten zu Tode zu ficken.)

Vilnius bei Nacht

Aber jetzt zum eigentlichen Thema: was mich eigentlich nach Vilnius verschlagen hat.

Meine treuen Leser haben sicher den Eintrag „Du bist gefeuert!“ gelesen und wissen, dass ich das Meeting mit meiner Chefin Miranda und meiner Schwester Anik mit ausgestrecktem Mittelfinger verlassen habe. (Eigentlich gar nicht wirklich meine Art, doch ich fühlte mich gerade so proletenhaft.) Tatsächlich wollte ich einfach nur raus und wollte den nächsten Flieger nach LA nehmen, um kurz bei Joana in Bel Air vorbeizuschauen, und dann nach Orcas Island weiterfliegen, wo Mazikeen gerade an der Vergrößerung ihres Bootsstegs arbeitete. Gabby konnte ich hier leider nicht besuchen, weil das Miststück gerade mit ihrer Tochter und ihrem Typ eine verlängerte Hochzeitsreise machte. (Ein anderes Thema … Kotz! Die Moral von der Geschichte: Lass dich niemals mit Heten ein!)

„TAMMY!“ Der Ruf kam vom anderen Ende des Flurs, während ich auf den Aufzug wartete. Mirandas unverschämt rauchige Stimme war unverkennbar. (Wie ich sie dafür beneide!)
„Fuck off!“
Doch sie ließ sich nicht beirren, setzte die Maske mit dem Logo unserer Airline auf und rannte mir hinterher. (Meine FFP2-Maske war schwarz. Flammen loderten über Mund und Nase. Ein höllisches Geschenk von Mazikeen, logisch.)
„Darf ich BITTE nochmal mit dir reden?“
Scheiß-Aufzug! Wie lange braucht der eigentlich? Ich antwortete nicht, grinste lediglich, was sie vermutlich nicht sehen konnte. Ich hoffte aber, dass die Flammen dadurch etwas höher loderten.
„Was muss ich tun, dass du deine Meinung änderst?“
„Get lost!“
„Ich möchte diese Flieger. Wirklich! Wir brauchen sie!“
„Was muss ich tun, damit du endlich verschwindest?“
„Mit mir reden!“
„Was muss ich tun, damit du NICHT mit mir reden willst?“
„Schlag mich zusammen, dann musst du nicht.“
Ich starrte sie an. Der Aufzug war fast unten angekommen. „Ich schlage keine Frauen. Jedenfalls nicht, bevor sie darum betteln.“
„Bitte schlag mich zusammen. Bitte, bitte!“
Ich zuckte mit den Schultern und verpasste ihr eine, dass sie gegen die hintere Aufzugswand krachte und langsam zu Boden sank. Wer drum bettelt …

Wer drum bettelt …

Hinter mir öffnete sich die Fahrstuhltür. Im Spiegel, vor dem meine Chefin saß, erkannte ich eine ältere Dame in schickem Tweetoutfit und einen älteren Herrn mit Texaskrawatte. Ich drehte mich zu ihnen um und hob entschuldigend die Hände: „Für gewöhnlich ficken wir. Heute ist eine Ausnahme.“ Mit tiefreligiösen, aufgerissenen Augen, packte der Texaner seine Frau am Arm und sie machten einen kollektiven Schritt nach hinten.
„Fühlst du dich jetzt besser?“ Miranda streckte mir eine Hand entgegen.
„Etwas“, entgegnete ich und half ihr aufzustehen. Ihre schicke Airlinemaske färbte sich langsam rot.
„Jetzt schuldest du mir mindestens einen Drink.“
„Soso …“ Scheiße, ich musste grinsen. Ich hoffte, dass meine Augen das nicht verrieten.
Miranda wandte sich an das Texikanerpaar: „Machen Sie Platz! Wir versuchen abzutreiben!“
Scheiße, ich musste losprusten!
„Sie können allerdings auch stehenbleiben und uns auf je 10.000 Dollar verklagen“, fügte Miranda, bezugnehmend auf das neue, widerliche Gesetz in Texas, hinzu.
„Soll ich dir jetzt in den Magen treten?“, fragte ich, laut genug.
„Das sollte funktionieren“, nickte meine (Ex)-Chefin.
Von den betagten Südstaatlern war danach nur noch ein Luftloch übrig.
Was blieb mir übrig als laut zu lachen?
„Du bist ein ganz schönes Arschloch“, stellte Miranda nach einem Moment Herumstehen fest.
Ich bestätigte das.
„Darf ich dir jetzt einen Drink ausgeben, oder nicht?“
„Aus deiner Maske läuft Blut raus.“
„Ich sage ja, dass du ein Arschloch bist.“

Schließlich landeten wir auf dem Damenklo. ‚Frisch machen‘, wie Miranda das nannte. Während ich pinkele, wischte sie sich das Blut aus dem Gesicht. Sie winselte wie ein junger Hund, wenn sie ihre aufgeplatzte Lippe berührte: „Danke, dass ich alle Zähne behalten durfte“, erklärte sie sarkastisch.
Ich nickte freundlich: „Das war doch das Mindeste, was ich für dich tun konnte.“
„Bar?“, fragt sie, als sie fertig war.
Ich schüttelte den Kopf: „Keine Chance. Du blutest den ganzen Tresen voll. Das ist peinlich.“
Sie verdrehte die Augen.
In diesem Moment kam jemand zur Tür herein: „Raus!“, wurde sie angefaucht. Miranda kann fauchen. Interessant.
„Wir verlieren die Branche, wenn wir nicht aufrüsten. Die großen Airlines warten nur darauf, mit gecharterten Studioflügen Werbung machen zu können.“ Mit ‚Branche‘ meinte Miranda die Hollywoodstudios.
Ich zuckte mit den Schultern: „Eure Bombardiers sind doch voll.“ Ich setzte ganz bewusst die zweite Person Plural ein, um mich von der Firma zu distanzieren. Schließlich hatte sie mich gefeuert und ich war drauf und dran, mein Kapital abzuziehen.
„Sie sind zu klein. Und die Reichweite ist nicht da.“
„Warum?“
„Wir brauchen mindestens 130-180 Plätze und eine interkontinentale Reichweite.“
„Wie bitte? Interkontinental?“
„Immer mehr Drehorte sind in Europa, das weißt du.“
„Bisher haben die Studios es auch ohne 737 über den Teich geschafft.“
„Ohne UNSERE 737. Mit Linienmaschinen und Frachtcharter. Uns geht ein Riesengeschäft verloren. Und wir stehen kurz davor, die ganze Branche zu verlieren. Das erste Studio haben wir schon abgeben müssen. Ich möchte es zurückbekommen.“

Eine 737-800 NG auf dem Taxiway

Wieder öffnet sich die Tür: „RAUS!“
„Nicht überzeugend.“ Ich schüttelte den Kopf.
„Wie blöd muss man sein, um das nicht zu kapieren?“
„Vermutlich so blöd wie ich“, nickte ich.
„Was können wir denn deiner Meinung nach sonst tun?“, fragte Miranda.
„Nichts. Ihr habt kein Geld für so eine Aufrüstung. Und die Banken werde euch etwas husten. Vor allem jetzt, wo ich aussteige. 737 – so ein Schwachsinn!“
„Du musst ja nicht aussteigen.“ Ihre Lippe blutete immer noch ein bisschen. „Du kannst jede 737 fliegen!“
„Ich kann es aber auch lassen.“
„Ich weiß, du hasst es, mit Airliner Linienverkehr zu fliegen. Wie sagst du immer? ‚Busfahren für Studierte‘. Das ist aber kein Linienverkehr. Das ist Charter und das weißt du. Fast rund um die Welt. Mit einem Standbein in Europa.“
„Das auch noch? Nicht nur FAA, sondern auch noch EASA? Na danke …“
„Seit wann siehst du alles nur noch negativ?“
„Seit ich dich kennengelernt habe.“
„Ist es, weil ich nicht mit dir schlafen will? Eine Frau, die NICHT mit dir ins Bett will, das darf es in deinen Augen wohl nicht geben?“
Ich erinnerte mich an die eine Sache, bei der sie mich in ihrem Büro für ein paar Momente fickte, um das zu bekommen, was sie wollte. Diese Frau war echt das Letzte! „Du willst NICHT? Echt nicht? Was haben dann deine Finger in meiner Fotze gemacht?“
„Dich überzeugen.“ Miranda grinste.
„Hast du jetzt auch vor, mich zu ficken, damit du bekommst, was du willst?“
„Wenn es sein muss …“
„Eine Manager-Nutte. Nett …“ Ich schüttelte den Kopf.
„Darf ich dich an dein jüngstes Buch erinnern?“
J.–Forever? „Was ist damit?“
„Angeblich empfindest du doch Prostitution als ein legitimes Mittel zum Zweck?“

MOMENT MAL!

Wieso konnte die Frau dieses Buch lesen? Es ist doch nur auf Deutsch erschienen?

„Willst du mir jetzt weismachen, dass du Deutsch lesen kannst?“
„Ich kann es nicht nur lesen, sondern auch sprechen und verstehen. Du schreibst wirklich interessante Bücher. Auf Deutsch. Deine englischen Titel sind allerdings miserabel.“

Jetzt erwischte sie mich eiskalt: Sie ANTWORTETE mir AUF DEUTSCH! Zwar mit ziemlich amerikanischem Akzent, doch grammatisch richtig, vollkommen verständlich und – fließend.
„DU SPRICHST DEUTSCH?“, blökte ich auf Dummdeutsch.
Miranda zuckte mit den Schultern: „Und Französisch, Spanisch, Italienisch, Russisch und ein wenig Norwegisch. Schlimm?“
„Warum?“ Diese Frage war noch dümmer als die von eben. Aber das war zu entschuldigen, wenn man von einer Sekunde auf die andere erfuhr, dass die Ex-Chefin SIEBEN (7) Sprachen fließend beherrschte! Und man selbst – ich wollte nicht darüber nachdenken.
„Es hilft beim Business. Aber das war nicht unser Thema.“
Sie erwischte mich mit dieser Sprachgenie-Eröffnung so eiskalt, dass ich vergessen hatte, was das Thema war.
„Du stehst auf Nutten. Zumindest kann man das aus J.–Forever herauslesen.“
„Ich brauche einen Drink.“
„Zur Bar?“, lächelte Miranda.
Ich konnte nur noch dümmlich nicken.

Fortsetzung folgt.

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