Die Ornithologin und ihr Papagei

(Roman oder Kurzgeschichte. Das ist noch nicht raus und beendet ist die Story schon gar nicht.)

Ich liebe Susi Circles, und genau deswegen komme ich auch irgendwie an keinem vorbei. Selbst wenn er unterirdisch ist, so wie dieser hier auf den Colonaden. Ich schaffe es auch nicht einen zu übersehen. Da kann ich mir Mühe geben, wie ich will.

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Ich denke für die Kohle, die ich mittlerweile dem japanischen Fischfutter in den Rachen geworfen habe, hätte ich mir ein bis zwei Kleinwagen zulegen können. Und zwar deutsche, nicht japanische.

Aber was soll’s, denke ich: einen Hamburger Sushi Circle habe ich noch nicht in meiner Sammlung, das beruhigt mein Gewissen etwas. Erstaunlicherweise blicke ich auf eine jahrelange Karriere als Sushi Circlistin zurück und habe bis heute keine Ahnung wie das ganze bunte Zeug eigentlich heißt. Kein Wunder, grabsche ich mir doch in der Regel einfach irgendeines der hübsch aussehenden Teilchen, das auf dem Band an mir vorbeiläuft und kümmere mich nicht darum was auf der Karte erklärt wird. Hat ja letztendlich auch nichts mit dem Geschmack zu tun, oder? Nennt mich Ignoranten, nennt mich was ihr wollt – Hauptsache bunt!

Irgendwie schaltet es bei mir sowieso ab, wenn ich so einen Laden betrete. Aber jeder muss ja irgendwie ein Hobby haben, oder? Meine Freunde sagen, es wäre mehr eine Macke als ein Hobby. Das sagen sie nur, weil sie ihr Geld für Kinder und Familie ausgeben müssen, während es mir als Single freisteht mein Leben der Völlerei zu widmen. Was ich gerne und ausgiebig tue. Gerne Innenstädte, in denen ich Menschen kenne. Und wenn ich dort dann auch noch einen Sushi Circle finde, dann bin ich gerne bereit meinen Mütterfreundinnen auch Ansichtskarten zu schicken. Was sie seltsamerweise auch noch süß finden.

Was übrigens schwierig ist bei Sushi Circles, ist unter der Woche, vor allem in den großen Städten, einen Sitzplatz zu bekommen.

So bin ich also mit gar nicht viel Hoffnung die Treppe nach unten gestiefelt – richtig englisches Wetter in Hamburg – und habe mich schon auf eine längere Wartezeit eingestellt. Was mit hohen Absätzen eher unspannend ist.

Doch ich bin nicht alleine mit dem Gedanken, dass hohe Absätze gut für mich sind. Selbst meine Ök-Freundinnen empfehlen mir Sechs-Zöller zu tragen: „…weil du sonst nicht über den Tisch schauen kannst.“ Ich tröste mich für gewöhnlich mit dem Gedanken, dass sich das beim Sitzen einigermaßen egalisiert.

Übrigens übertreiben sie maßlos: wenn ich mich ganz weit auf die Zehenspitzen gestellt und mich noch ein wenig gestreckt habe, konnte ich meinen Partnerinnen immer das Kinn auf die Schulter legen. Außer Claudia, doch das zählt nicht: Claudia war fast 1,85m gewesen und hatte die Tupperschüsseln auf den Hängeschränken in meiner Küche ohne Leiter heruntergeholt. Leider hat sie irgendwann auch dem Buchhändler von gegenüber einen runtergeholt. Das ist aber ein anderes Thema.

Aber wie positiv überrascht war ich, dass gegenüber dem Eingang tatsächlich noch ein Platz frei war. Genau neben einer krass scharfen Rothaarigen. Das wird ja lustig: zwei von unserer Sorte! Rot und Rot gesellt sich gern!

Ihre Haare waren allerdings auf der einen Seite deutlich kürzer, als auf der anderen. Dafür baumelte vom ausgesprochen hübschen Ohrläppchen eine Holzstange, auf der ein bunter Papagei saß. Aufgrund der Frisur hätte ich auf eine Lesbe getippt, der Vogel hingegen deutete mehr auf eine Ornithologen hin. Eine lesbische Ornithologen vielleicht? Ich habe die Macke die Menschen in meiner Umwelt aufgrund ihres Auftretens einzuschätzen, das hilft, wenn plötzliche Fluchtversuche nötig sind. Revidieren kann ich meine Meinung immer noch. Manche finden das seltsam, andere sogar engstirnig, doch ganz ehrlich: Meinungen anderer haben mich noch nie wirklich interessiert.

„Ist der Platz noch frei?“

Die Ornithologen schaut sich um. Natürlich übersieht sie mich. D. h. sie schaut sich erst einmal um, bevor sie nach unten blickt.

„Witzig, ehrlich!“, schüttelte ich den Kopf. Das wird langsam alt! Es nervt mittlerweile. Ist das wirklich so witzig? Ich meine: 1,59m und Schuhe mit 15 cm hohen Absätzen. Und da will mir jemand sagen, er würde mich übersehen? Erklärs’ Deinem Religionslehrer!

„Mein Papagei hat dich zuerst gesehen“, grinst die Ornithologin.

„Ist der Platz jetzt frei oder nicht?“

Und was kommt jetzt wieder für ein dummer Spruch…?

„Für so eine süße Rothaarige immer. Kletter schon rauf!“

Ich habe mir vorgenommen auf diese dämlichen Kletterwitze nicht mehr zu reagieren. Ich ziehe den Barhocker nach hinten und klettere hoch.

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