Wie lange hatte sie eigentlich gebraucht um überhaupt auf die Idee zu kommen, mir Blumen zu schicken? Rosen oder nicht?
Hat sie etwa erst einmal ausgeschlafen? Während ich mich voller Sorgen im Bett herumgewälzt habe?
Maze schüttelte den Kopf: „Ich wette, du hast geschlafen wie eine Tote. Entweder das oder du hast heute Morgen noch eine Tussi abgeschleppt.“
Sie zeigte mit dem Daumen hinter sich. Auf dem Boden von Flur und Küche lag meine Kleidung von heute Nacht verstreut.
„Aber es hätte so sein können!“
Und wieder ein Blumenstrauß.
„Was soll das? Will die mich in Biomüll ersticken?“
„Du sollst was trinken!“ Maze füllte mein Glas.
„Warum?“ Ich nahm das Glas und trank es auf Ex. Es war ungefähr ein Vierfacher. Besser!
„Weil du stinkst. Es gab die Alternative frischer Alkohol oder Zähneputzen. Hätte ich dich ins Bad geschickt, hättest du nur den Spiegel von der Wand gehauen und ich hätte den Mist aufräumen und dich verbinden müssen.“
Ich hielt ihr mein Glas entgegen: „Mehr! Ich stinke immer noch.“
Kein Zettel, keine Karte, kein Anruf, nur ein Blumenstrauß. Da war er wieder: mein Zorn.
Maze wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Sie kannte mich eben. Oder sie entnahm es dem Trümmerfeld das vorher einmal meine Küche war. Oder, dass ich „Hey, Süsse“ mit „SCHEISSE“ erwiderte.
So oder so: Sie sagte mir, dass ich garantiert wieder übertrieb. Weil ich das immer tun würde.
Dann kam der nächste Blumenstrauß.
„Siehst du das? SIEHST DU DAS?!“, schrie ich.
„Was? Gartenterror?“
„KEINE ROSEN, VERDAMMT!“
Gartenterror
Maze holte die Flasche aus dem Schrank und stellte sie vor mich hin: „Du hast recht, das ist unverschämt.“ Dann lehnte sie sich auf dem Stuhl zurück, legte die Füße auf meinen Tisch und schüttelte den Kopf.
Ja, das wae schon eine ziemlich emotionale Sache, das damals mit Joana.
So war ich eigentlich gar nicht. Ich war immer die Starke, Souveräne, die über alles gelacht und ganz sicher nicht bei jeder Gelegenheit angefangen hat zu heulen. Ob jetzt vor Wut oder einfach nur so.
Mit Joana war das anders.
Ich weiß bis heute nicht so wirklich nicht warum. Bestimmt nicht, weil es bei ihr gezogen hätte. Das Gegenteil ist eigentlich der Fall.
Doch sie sagt, wenn ich so reagiert haben und sie das Gefühl bekam, dass sie im Unrecht sein könnte, hätte sie dann ganz schnell ein schlechtes Gewissen bekommen.
In dieser Nacht jedenfalls habe ich vor Wut gekocht.
Nicht, dass ich nicht hätte verstehen können, dass sie keine Lust hatte sich eine Stalkerin anzulachen, aber dass sie hätte erst einmal nachdenken sollte, bevor sie den Mund aufmachte, die eingebildete Kuh!
Hamburger, Currywurst, Pommes. Sie gibt zwei Autogramme, später noch zwei. Eine der Frauen ist völlig aus dem Häuschen, kann es kaum fassen, geht erst als einer von Joanas Guards sie freundlich, aber bestimmt zur Tür schiebt.
„Geht das immer so?“, frage ich.
„Das? Das war doch harmlos. Du hast keine Vorstellung! Die Frauen sind am schlimmsten.“
Joana futtert einen ekelhaften Salat ohne Dressing und drei (3!) von meinen Kartoffelstäbchen.
„Iss schneller“, sagt sie: „Sehr lange können wir hier nicht bleiben.“
UM HALB VIER? Was für ein Scheißleben!
Plötzlich schaut sie mich nachdenklich an: „Warum hast du eigentlich noch nicht nach einem Autogramm gefragt?“
„Bist du blöd?“, frage ich verstört zurück: „Aber wenn du eins von mir willst, brauchst du nur zu fragen.“
Sie nagt an einem großen grünen Blatt (Was hat sie nur immer mit Grün?), dann meint sie nachdenklich: „Wenn du kein Autogramm von mir willst – was dann?“
Jetzt aber!
„Was willst du denn von mir, wenn du kein Autogramm willst?“ Ich schüttele den Kopf. Hat die eine Gehirnerschütterung vom Tanzen?
„Mmh?“ Joana überlegte. Sie klaut eine Pommes von mir: „Siehst du uns etwa als Freundinnen?“
„Hey! Finger weg von meiner Beute! Da bin ich ziemlich territorial!“
Joana gickelt.
„Als Freundinnen? Lass mich überlegen: Wir saufen eine Nacht zusammen, du schmeißt mich aus deiner Wohnung, ich schmeiße dich aus meiner Wohnung, du tauchst wieder auf, ich beiße dir in den Arm, du gibst mir deine Privatnummer, wir treffen uns zum Frühstück, wir gehen tanzen und jetzt sitzen wir um Vier in einem Diner. Nein, nein, das hat nichts mir Freundinnen zu tun“, erkläre ich in stark ironischem Tonfall.
„Genaugenommen wären Fans auch happy das mit mir zu machen, außerdem…“
Das reicht!
Ernsthaft: das reicht!
Diese Plastik-Ketchupflaschen auf die man draufdrücken muss, sind für solche Fälle sehr praktisch, vor allem, wenn sie noch voll sind. Ich benutze rot und weiß gleichzeitig. Dann renne ich wütend aus dem Imbiss. Die Bodyguards sind wohl ratlos, denn sie rühren keinen Finger.
Ich erreiche heulend den nächsten Block, bis ich Joana das erste Mal rufen höre: Sie ist mir hinterher gerannt! (Muss ja ein geiles Bild abgeben: Joana Anne, rot-weiß!)
Joana Anne, rot-weiß
Ich zeige ihr den Finger als ich in ein Taxi springe.
Soll sie sich doch einen echten Fan suchen, dem sie hinterher rennen kann. Was kann ich dazu, dass ich mich in das Weib verliebt habe!
Ja, mitten auf dem Atlantik habe ich etwas Zeit um in die Vergangenheit zu schauen.
Was tatsächlich eine ziemlich tolle Sache ist. Vor allem,wenn es darum geht, wie ich Joana kennengelernt habe. Manchmal lässt mich meine Erinnerung ein wenig im Stich, doch dann hilft mir Mazikeen auf die Sprünge. Ich finde es erstaunlich, wie sie sich an alles erinnern kann, obwohl sie doch noch einige Jährchen älter ist als ich. Nicht so viele wie Joana allerdings.
Warum Mazikeen alles über Joana und mich weiß? Weil ich ihr immer, alles bishin zur kleinsten Kleinigkeit erzählt habe. Ja, auch oder gerade auch über Joana.
Wenn ich sage, dass Joana meine große Liebe ist, dann tut das Mazikeen sicher nicht Unrecht, denn Maze ist irgendwie – ich. Sie ist es schon immer gewesen und wird es auch immer bleiben. Weshalb mich Joanas Aussage, dass sie mit uns beiden schlafen möchte, auch ganz besonders glücklich macht. Es ist schon fast ein wenig wie mein erstes Mal mit mir.
Schräg?
I don’t care. At all.
Als Joana und ich schließlich vollkommen fix und fertig über der Bar hingen – erstaunlich wieviel Kondition diese Frau übrigens heute noch hat – wollte sie wissen, was ich jetzt gerne tun möchte.
„Blöde Frage.“
„Abgesehen davon.“
Abgesehen davon
„Dann würde ich mich jetzt gerne wenigstens ausziehen.“
„Hast du eigentlich noch etwas anderes als Sex im Kopf?“
„Nein, muss ich?“
(Und weshalb lacht diese Frau eigentlich ständig wenn ich etwas sage?)
Drei Tage später sind wir das erste Mal zusammen in einen Club und ich habe das erste Mal erlebt, wie so etwas mit Miss Superstar funktioniert.
Nämlich krass.
Haupteingang war nicht. Wir mussten durch einen schmalen Gang mit gestapelten Kisten und kamen bei den Klos rein. Geleitet von einem der Club-Wachleute.
Wir, das waren Joana, ich und 3 (drei, Drei, DREI!!!) ihrer eigenen Bodyguards. Eine davon hat mir später einmal erklärt, was passieren würde, wenn Joana und ich alleine in den Laden gehen und sie erkannt werden würde: Sie hat einfach ihre Handflächen genüsslich gegeneinander gerieben.
Aha.
So krass? So krass.
From time to time I fall apart
Getanzt haben nur Joana und ich. Von anderen mussten wir uns fernhalten. Also miteinander. Sofern man das in einem Club eben miteinander nennen konnte. Wobei ich sagen muss, dass es nicht so ganz ohne Berührungen abging. Die meisten versehentlich im Eifer des Gefechts, einige aber durchaus auch beabsichtigt.
Es gibt auch Clubs, das kann man sich schon ein wenig „mischen“, doch das sind in der Regel die langweiligeren und das funktioniert auch nicht besonders lange. Deswegen steht die ganze Promi-Bande ja auch so auf Partys wie die an Sylvester, bei denen sie unter sich sind.
Joana trug Jeans (weite 70er Jahre für einen geilen Arsch) und ein goldenes Top mit so einem fallenden Ausschnitt und eine kleine Kreuzkette. Auf sonstigen Schmuck hat sie total verzichtet. So wie sie sich ausgetobt hat, war das vielleicht auch besser so. Erstaunlicherweise keine Sonnenbrille oder sonstige Verkleidung, vermutlich vertraute ihre Truppe darauf, dass sowieso jeder mit sich selbst beschäftigt war. Abgesehen davon hatten uns ihre „tanzenden“ Guards derart dicht eingekreist – da wäre keine Maus durchgekommen.
Ich war ein wenig enttäuscht, dass ich nicht oben ohne tanzen durfte – manche Mädchen praktizierten das schon damals in den Clubs. Nicht in allen, aber in den In-Läden. Doch Joana hatte es mir strikt verboten. Ich musste mich an ihre Regeln gewöhnen. Dass Joana mit einer Frau in einem Club tanzte – das wäre zwar ein schickes Foto für die entsprechenden Blätter, doch wenn sie das mit einer Oben-Ohne-Tussi tun würde – „nicht auszudenken“, nach ihren Worten.
Also blieb mein Shirt an, was mich ein wenig billig aussehen ließ („From time to time I fall apart“), weil es nicht dazu gedacht war, an Ort und Stelle zu bleiben, sondern in der Garderobe auf mich zu warten.
Gerade ausreichend, dass es wieder schön ungemütlich ist an Bord. Jedenfalls wenn einem der Sinn mal gerade nicht nach Segeln steht.
Wie auch immer. Gehört dazu.
Es ist schon irgendwie eine spannende Sache von unserer Kennenlernzeit zu schreiben, stelle ich fest, doch das Erinnern fällt manchmal gar nicht so leicht. Ist ja nun auch schon ein Weilchen her das Ganze.
Und wenn ich mir Fotos von damals betrachte… Göttin, war ich damals so jung! Und unverschämt! Und selbstsicher!
Gut, vermutlich bin ich das alles heute auch noch – minus jung – aber vielleicht nicht mehr ganz so sehr. Auf jeden Fall war das schon krass: So eine Berühmtheit so anzugehen und die Selbstsicherheit zu besitzen, zu wissen, dass sie einem nicht davonläuft.
Damals
Genaugenommen habe ich ja manches ziemlich übertrieben mit ihr, mein Verhalten war schon krass, doch irgendwie war es ja auch genau das, was sie fasziniert hat. Wobei das bei vielen anderen Frauen – sehr vielen anderen vermutlich – hätte ziemlich daneben gehen können.
Andererseits hatte ich ja auch irgendwie gewusst, dass das bei ihr nicht der Fall sein würde. Seltsam. Seltsam? Oder schlicht… Whatever…
Alles was ich getan hatte im Endeffekt, war so zu sein, wie ich war, mich so zu geben, wie ich empfand und mich nicht zu verstellen.
Ja, ich war so selbstsicher und von mir selbst überzeugt. In vielen Bereichen bin ich das heute noch. Nicht in allen, allerdings. In manchen hat sich das ein wenig relativiert. Wir alle fallen hin und wieder mal auf die Schnauze, müssen daraus lernen und unser Verhalten künftig anpassen.
Was Joana angeht, würde ich jedoch alles wieder tun. Ausnahmslos. Alles. Genau so.
Sie sass ausdrucks- und regungslos wie eine Statue vor mir. Wenn sie jetzt jemand angestupst hätte, wäre sie vom Stuhl gefallen.
Ob sie vielleicht die braune Kacke in direktem Zusammenhang mit ihrer grünen Kotze nicht vertragen hat? Sie kommt ja im Fernsehen immer so brav und anständig rüber?
„Pieps“, sagte ich vorsichtig.
Sie hob die Augenbrauen. Immerhin eine Bewegung.
„Und das verliebte Mädchen bist natürlich du, richtig?“
Puh! Sie spricht noch. Scheinbar auch mit mir!
Ich nickte und schaute mich um: „Ist ja sonst keine da.“
Joana atmet hörbar aus: „Machst du eigentlich ständig Witze?“
Ich schüttelte den Kopf: „Nicht immer. Beim Sex manchmal nicht.“
„Manchmal?“
„Okay, hin und wieder. Maze sagt, es käme schon vor.“
„Ich frage jetzt nicht weiter…“ Joana verdrehte die Augen.
„Kannst du nicht mal was anderes trinken? Mir wird echt schlecht von dem Zeug!“
„Von meinem Smoothie?“
Ich nickte: „Muss sowas transzentrales sein.“
„Du meinst transzendentes.“
„Ja, das auch. Auf jeden Fall kommuniziert diese grüne Plörre direkt mit meiner Galle.“
Joana wirkte ein wenig als müsse sie ein Bäuerchen machen und schob das Glas von sich. Ich schob es sicherheitshalber ganz an die Seite des Tisches. Vielleicht würde es ja versehentlich runterspringen? Das widerliche grüne Zeug sah ja durchaus lebendig aus.
„Und ganz schön unverschämt bist du auch noch.“
„Nur ehrlich“, sagte ich stolz: „Und das findest du ziemlich gut.“
Joana schüttelte den Kopf: „Ich finde es lediglich interessant, wie jemand so unverschämt sein kann.“
„Lügner.“
„Und was glaubst du, was ich denke?“
„Du verfluchst gerade, dass du hetero bist.“
Sie starrte mich mit aufgerissenen Augen an.
„Und du überlegst wie es wohl wäre, wenn ich dich küssen würde“, fuhr ich fort.
„Eigentlich überlege ich eher, ob ich dir meinen Smoothie ins Gesicht schütten soll.“
„Das hatten wir doch schon“, grinste ich.
„Und nein, ich verfluche nicht, dass ich hetero bin.“
„Du wirst es spätestens tun nachdem ich dich geküsst habe.“
Jetzt fing sie an zu lachen: „Tammy, träum weiter!“
„Erzähl mir nicht, du würdest nicht gerne wissen, wie es ist.“
„Und wenn ich es schon gemacht habe?“
„Mich geküsst? So betrunken kann ich nicht sein, dass ich mich daran nicht erinnern würde.“
„Witzbold! Bildest du dir ein, mit dir ist es besser als mit anderen Frauen?“
„Pah! Ich mache doch hier keine Werbung. Du kommst schon von selbst.“
„Vergiss es!“
„Joana?“
„Ja?“
„Lust auf eine Wette?“
„Nein. Aber hast du Lust am Samstag mit mir in einen Club zu gehen?“
Ich zucke mit den Schultern: „Solange du keine Scheiß-Smoothies trinkst…“
„Blablabla…“, sagte ich – und zwar mit heraushängender Zunge, den Kopf in den Nacken gelegt.
„Bitte?“ Joana schaute mich entsetzt an und selbst ihre beiden kleiderschrankartigen Bodyguards, die am Nachbartisch halbe Kühe frassen, waren aufmerksam geworden.
„Hast du mal auf die Uhr geschaut?“, fragte ich.
Joana schaute verstört nach: „Zehn nach Zwölf, wieso?“
„ZEHN NACH ZWÖLF? Du sitzt hier, mitten in der Nacht, säufst grüne Kotze und erzählst einer Lesbe was von stinkenden Schwänzen?! Bist du wahnsinnig?“
Genaugenommen hatte ich sogar recht: War die wahnsinnig?
Grüne Kotze
„Was? Bitte?“ Joana starrte mich völlig verstört an: „Ich erzähle dir hier gerade…“, stammelte sie.
Okay, Tammy. Schock hat funktioniert. Und wie jetzt weiter?
„…dass ich nicht mehr ein noch aus weiß…“
Tammy, beeile dich! Lass dir was einfallen!
„…dass mein Leben…“
Okay, jetzt:
„Hier sitzt eine Lesbe vor dir, die schon ewig hoffnungslos in dich verliebt ist und du redest von deinem Ex? Und von seinem Schwanz?“
„Äh, ja aber…“
Weiter, Tammy, weiter!
„Eine Lesbe, die dich niemals wird besitzen können, weil du auf Männer…“ Und ich schüttelte mich theatralisch. „…stehst? Findest du nicht, es wird Zeit, die Vergangenheit endlich loszulassen um herauszufinden, was die Zukunft für dich bereithält?“
Was für eine unsägliche, schwachsinnige Schmalzscheiße! Runterfahren, Tammy, runterfahren!
„Wenn du weiter wegen diesem Typen rumjammerst, kannst du soviel grüne Kotze saufen wie du willst und scheißt trotzdem nur weiter braune Kacke!“
Und jetzt wieder ein bisschen Schleimspur, Tammy.
„Und wenn ein Feigling DICH verlässt, NUR weil du keine Kinder willst…“
Okay, kurz überlegen: Zuckerbrot oder Peitsche?
Was gibt es da eigentlich zu überlegen?
„…dann hättest du ihm besser den stinkenden Schwanz abgeschnitten und ihm das Ding in den Arsch geschoben!“
Und jetzt noch ein bisschen Hoffnung:
„Und jetzt sitzt hier ein verliebtes Mädchen vor dir, das dich zur Freundin haben möchte, Sex oder nicht…“ (SEUFZ) „…und immer für dich da sein wird. Und, zur Göttin, was werden wir Spaß haben! Sobald du aufhörst über stinkende Schwänze von Jammerlappen zu reden!“
„Diese Maze“, fragte Joana während sie ihren Smoothie wieder zurück auf den Tisch stellte: „Sie ist deine – Partnerin?“
Sie machte eine kleine Denkpause vor dem Wort Partnerin, während ich angewidert auf die grüne Brühe starrte, die sie da trank.
„Dieses – Zeug da… Was ist da so drin?“. Ich machte eine kleine Pause vor Zeug.
„Sellerie, Spi…“, fing sie an.
„Wir sind Lover, ja.“ Ich unterbrach sie, weil ich keine Lust hatte schon morgens um kurz vor 12 zu kotzen.
„Wie wäre es mit Kaffee?“, schob ich zur Sicherheit nach, nur um sicher zu gehen, dass sie nicht mit ihrer Aufzählung fortfuhr.
Joana schüttelte den Kopf: „Nicht gut für den Magen. Schon gar nicht ohne Grundlage.“
Ich nickte: „Verstehe ich. Wenn ich kann, nehme ich morgens auch erst einmal einen kleinen Scotch, dann schmeckt das Zeug danach nicht so nach Kaffee. Aber wenn ich arbeiten muss, geht das leider nicht.“ Ich seufzte und blickte über die Stadt. Von der Hotelterrasse aus sah LA ein wenig wie aus dem Cockpit kurz vor der Landung aus.
„Was fliegst du eigentlich?“, wollte sie wissen.
„Flugzeug“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Was war das hier? Ein Einstellungsgespräch?
Joana lachte. Ich mochte ihr Lachen. Ich mochte auch ihr Fluchen und ihre Schmerzensschreie. Sie hatte einen kleinen Verband um den Unterarm. Jemand hatte sie gebissen.
„Was für ein Flugzeug? Teufel, Tammy, wie kann jemand nur morgens schon so schräg drauf sein?“ Und sie lachte wieder.
Morgens. Immerhin waren wir tageszeitkompatibel.
„Businessjets. Embraer, Citations, Hawkers, Beeches…“ Ich zählte die ganze Palette auf, ob ich sie nun fliegen durfte oder nicht um damit hoffentlich jede weitere Nachfrage obsolet zu machen. Dann fragte ich sie ob es nicht traurig sei, nicht in normale Cafés gehen zu können. Ich hatte wirklich keine Lust Kerosin zu reden. Das musste ich ständig ertragen, weil auch den anderen Piloten für gewöhnlich nichts besseres einfiel. Vermutlich weil sie zu kleine Pimmel hatten oder sowas.
Zu kleine Pimmel?
Sie sagte mir, dass das mit den Cafés schon ginge, doch dass sie dann eben die ganzen Paparazzi ertragen und blablabla… Das Gespräch ging mir auf die Nerven. Ich beschloß nicht mehr wirklich zuzuhören und überlegte, während sie von Bodyguards und Sonnenbrillen redete, ob es zu früh für einen Scotch war. Ab und zu nickte ich freundlich, offenbar an den richtigen Stellen, denn sie redete immer weiter.
Eigentlich hätte ich ja an ihren Lippen hängen müssen, doch – ganz ehrlich – wenn ich mir ihre Filme anschaute, musste ich wenigstens keinen Smalltalk ertragen.
Ich weiß auch nicht was es war: Eigentlich hätte ich ihr jedes Wort von den Lippen reißen, es küssen, daran lutschen und es mir an oder in eine angenehme Stelle drücken oder schieben müssen, so sehr war ich mein Leben lang – und immer noch – in diese Frau verliebt. Doch jetzt gerade war sie eine von den vielen Heteros, deren langweiliges Gelaber mir die Milch im Kaffee sauer werden ließen. Daher die Überlegung bezüglich des Whisys.
Immerhin betrachtete ich die meiste Zeit ihr T-Shirt, unter dem, wenn sie die grüne Kotze ansetzte, die Titten ein wenig wackelten. Der Ausblick schlug LA im Sonnenschein um Längen.
Und dann, als ich zufällig einmal für einen kurzen Moment weiter nach oben schaute, bemerkte ich, dass ihre Augen nass geworden waren. Scheiße! Was hatte ich verpasst? Ich musste mich unbedingt wieder ins Gespräch einblenden!
„Ich verstehe“, nickte ich. Verstehen war immer gut. Mit Verstehen konnte man nie etwas falsch machen.
„Es ist schön, dass du mich verstehst. Dass einem so ein ganz bestimmter Penis fehlen kann. Diese ganz bestimmte, eigene Form, die Größe und der besondere Geruch. Jeder ist anders, weißt du?“
Das folgende ist eine Rekonstruktion von Mazikeen. Ich kann also keine Garantie für den Wahrheitsgehalt übernehmen. Andererseits – Maze lügt nicht, sie weiß gar nicht wie das geht.
Am nächsten Morgen klingelte es.
„Scheißeeeee!“, schrie ich aus dem Schlafzimmer und versuchte unter der Decke heraus etwas zu suchen, das ich werfen konnte, fegte aber nur Lampe, Handy und Wasserglas vom Nachttisch.
„Wer bist du denn?“, fragte Joana, nachdem Maze die Tür geöffnet hatte.
„Das könnte ich dich auch fragen…“
„Echt jetzt? Wo ist Tammy?“
„Schläft.“
„Ruhää!“, versuchte ich aus dem Schlafzimmer zu schreien, schaffte aber nur die erste Silbe, dann platzte mein Kopf und verspritzte mein übriggebliebenes Hirn unter der Bettdecke.
„Ru?“, fragte Joana.
„Sollte Ruhe heißen“, flüsterte Maze: „Sie hat den Kater des Jahrhunderts.“
„Kenne ich“, entgegnete Joana ebenso leise. Dann fügte sie, leicht genervt, hinzu: „Lässt du mich jetzt rein oder nicht?“
Maze zuckte mit dem Schultern: „Wegen mir.“
Ohne ein weiteres Wort schlüpfte Joana an ihr vorbei.
„Du weißt ja schon wo die Küche ist. Und wo die Kaffeemaschine steht, weißt du ja auch.“
Joana hatte sich einen Stuhl genommen.
„Kaffee?“, fragte Maze. Dann schloss sie die Tür um mich nicht zu wecken. So ein Vollautomat macht ziemlichen Lärm. Angeblich habe ich wieder irgendetwas Undefinierbares geschrien. Bei der zweiten Tasse muss ich wohl aus dem Bett getaumelt sein und gegen die Tür getreten haben.
„Moment“, sagte Maze zu Joana und ging ins Schlafzimmer.
Ich kann mich duster daran erinnern, dass etwas großes, düsteres, schwarzes, schlankes in mein Schlafzimmer kam und mir mit einer Ohrfeige gedroht hat. Was mich in meinem Zustand auf der Stelle getötet hätte. Also bin ich zurück ins Bett gekrochen und habe mich nicht mehr gerührt. So ein Dämon kann einem gewaltig Angst machen!
„Ich bin übrigens Mazikeen“, sagte Maze, als sie zurück in die Küche kam. (Natürlich sagte sie damals „Chris“, doch ich habe mich jetzt so an „Mazikeen“ bzw. „Maze“ gewöhnt.)
„Und wer bist du?“
„Du weißt genau wer ich bin“, hob Joana die Schultern: „Erstens hat Tammy dir ja ganz offensichtlich von mir erzählt und zweitens kannst du mir nicht erzählen, dass du mich noch nie gesehen hast!“
„Ich möchte es aber gerne hören. Man geht nicht irgendwo rein ohne sich vorzustellen.“
„Ernsthaft? Was läuft denn bei dir quer? Aber wegen mir: Hallo, mein Name ist Joana Anne und ich möchte gerne zu Tammy. Ist das möglich?“ Sie sagte es etwas spöttisch.
„Tammy schläft“, entgegnete Maze: „Falls du mit mir Vorlieb nehmen möchtest? Ich bin Mazikeen. Darf ich dir einen Kaffee anbieten?“
Beide schauten sich an und dann mussten beide lachen.
Maze nahm mir die Flasche ab, stellte sie unerreichbar zurück in den Schrank und schüttete den Rest von dem teuren Zeug in den Abfluss: „Du bist in diese Frau verknallt seitdem du einen Fernseher einschalten konntest…“
„Hey, üferfreib‘ malnich…“
„…und seit wir uns kennen, erzählst du mir, dass du beim Sex ständig an sie denkst.“
„Isso.“
„Und jetzt legst du ihr den Hörer auf?“
„Ja.“
„Bist du bescheuert?“
„Ja.“
Und dann fing ich wieder an zu heulen. Warso.
„Meins du fenn ich forfer faszetrunken hätte, fär faz feffer fefangen?“
Maze verdrehte die Augen: „Dümmer hättest du dich jedenfalls nicht anstellen können.“
„Maze?“, fragte ich: „Darf iz dir in diefiffenfeiffen?“
„Was?“
„In – die – Fiffen-feiffen!“
„Verstehe kein Wort!“
„Mann, fissst du flöd! Ich fill dir in die föpfe feiffen!“
„Danke für die Kohle“, sagte ich, „aber die 5 Dollar fürs Telefon hätte ich auch noch selbst aufgebracht. Was willst du von mir?“
Ich hatte es doch sowieso versaut. Warum sollte ich jetzt noch herumschleimen?
Oder?
„Ich wollte nur keine Schulden hinterlassen.“
Hatte sie nicht. Der neue Helm hatte nur 469 gekostet. Sonderangebot. Also eigentlich hatte ich sogar etwas gut gemacht. Zuzüglich Fahrtkosten.
„Oh, die Diva ist ja persönlich am Telefon!“
„Ist ja auch meine Telefonnummer.“
„Wenn das deine private Telefonnummer wäre, hättest du dich auch selbst gemeldet.“
„Ich gebe doch nicht jedem meine richtige Privatnummer!“
„In meine Küche marschieren und sich einen Kaffee machen aber mir die falsche Telefonnummer geben!“
„Bin ich am Telefon oder nicht?“
„Ja. Nach dem fröhlichen Rätselraten!“
„Sonst könnte ja jeder…“
„Lass mich raten – die Nummer ist für zweitklassige Bekannte und die weitläufige Familie…“
„Wie schon gesagt, ich…“
„Die Nummer kannst du behalten!“
„Ich…“
„Wenn du was von mir willst, benutz meine Klingel!“
Und dann habe ich aufgelegt und mich betrunken.
Die Nummer kannst du behalten
Der Punkt war, das versuchte ich mir zumindest einzureden, dass niemand mich als zweitklassige Bekannte einstufen durfte. In Wirklichkeit aber war ich von der ganzen Situation komplett überfordert gewesen – und, ganz ehrlich, so von dieser Frau angetan, dass ich austrat, statt mich der Situation hinzugeben. Ich machte einfach alles falsch und das machte ich mit Absicht. Weil ich Angst hatte. Angst davor ein Spielzeug zu sein – zu werden – oder was auch immer. Die Frau war einfach fünfzig Wolken über mir. Ich wollte unbedingt, dass sie dort blieb, doch ich hatte auch panische Angst von einer Beziehung – auch einer platonischen – in der sie mir von oben Brotkrumen zuwarf.
Ich war vielleicht ein Groupie, doch bestenfalls für eine Nacht. Und da diese Nacht bereits passiert war – ob mit oder ohne Sex…
„Maze“, sagte ich am Telefon: „Hast du Zeit? Kannst du rüberkommen? Ich muss dir was erzählen!“
Aber immer noch 100 Meilen bis wir das Schelfmeer hinter uns haben. Und da wir bei konstantem SW-Wind kreuzen (Bf 7), helfen da auch die 8-10 Knoten Fahrt nicht: Das dauert noch… Und da die Dünung auch noch ungünstig kommt, segeln wir bereits 30 Meilen nördlich von unserem geplanten Kurs. Ob wir da die 2-3 Wochen einhalten? Ich war wohl bezüglich der Windrichtung etwas blauäugig. Aber was soll’s? Irgendwie müssen wir die Katze ja über den Atlantik bekommen.
Aber wenn dieser Krach und diese Wellen jetzt für 3 Wochen so weitergehen…? Mir schrauben sich ja jetzt schon die Trommelfelle raus!
Wo war ich beim Thema Joana? Ach ja: Sie hatte sich also selbst rausgeworfen.
Am nächsten Morgen lag ein dicker Briefumschlag in meinem Briefkasten: Sorry, stand darauf. Kein Absender, kein Empfänger. 505 Dollar waren drin. Und ein Zettel: Für deinen Helm. Die 5 Dollar sind zum telefonieren, falls du mich anrufen willst. Und dann folgte eine Handynummer.
Ich starrte den Umschlag und den Zettel an, bevor ich alles auf meinem Küchentisch ausbreitete. Ich zählte nach: 505 Dollar. Ich habe keine Ahnung, warum ich nachgezählt habe, vermutlich weil mir nichts einfiel in diesem Moment, vielleicht weil mein Kopf leer oder zu voll war, vielleicht weil ich so perplex und zu keiner vernünftigen Reaktion fähig war – ich habe keine Ahnung.
Nach ein paar Minuten holte ich meinen Standardscotch aus dem Küchenschrank, goß ein Wasserglas voll und nahm einen tiefen Schluck. Das war doch alles nicht mehr normal!!
Erst nachdem ich das Glas geleert und wieder gefüllt hatte, begann mein Kopf wieder richtig zu arbeiten. Scheiße!, dachte ich: Ein fucking Glas Whisky!!! Ich bin ja so blöd! Ich griff mein Handy, rief meine Airline an und meldete mich krank. Keine Chance nach einem großen Glas Whisky ins Cockpit zu gehen! FUCK!
Ich knöpfte meine Jacke auf und warf sie auf die Küchenbank. Egal. Ich trank auch das zweite Glas.
Was jetzt?
Sie hatte mich gestern einfach stehen lassen. Einfach so. Aber vermutlich hätte ich mich auch stehen lassen. Oder nicht? Sind Schauspielerinnen anders? Warum heulte sie eigentlich ständig?
Und wie ist das eigentlich alles so schiefgelaufen? Das hatte doch alles so vielversprechend angefangen? Aber – vielversprechend? Von was träumst du eigentlich sonst noch, Tammy? Wer ist sie, wer bist du und – auch nicht gerade unwichtig – sie ist hetero!
Ich fegte das Geld mit einem Arm vom Tisch. Schade. Ich hatte es so schön ordentlich verteilt. Wie Memorykarten. War es das? Ein Memoryspiel?
Tut – tut – tu… „Hallo?“ Eine Männerstimme. Ich erschrak. Ich hatte Joana erwartet.
„Äh… Ich… Ist Joana da?“
„Wer will das wissen?“ Die Stimme war freundlich aber bestimmt.
„Äh… Tamara. Tammy. Ja, Tammy!“, stammelte ich.
„Welche Nummer?“
Nummer?Wovon redete der? „Wird meine Nummer nicht angezeigt?“
„Die Nummer. Sagen Sie mir die Nummer.“
HÄ?
„Welche Nummer?“
„Wenn sie mir keine Nummer sagen können, kann ich sie nicht verbinden.“
Wer ist das denn? James Bond?
Ich angelte nach dem Umschlag und dem Zettel. Beides lag auf dem Boden. Der Umschlag an der Gartentür, der Zettel halb unter der Spülmaschine. „Moment!“
Ich schaltete auf Lautsprecher und ließ mich auf den Boden sinken. Schließlich hielt ich beides in der Hand. „Kleinen Moment noch!“, rief ich.
„Okay.“ Wenigstens war er geduldig.
Leider gab es weder auf dem Umschlag noch auf dem Zettel eine Nummer. MIST!
Es sei denn…?
Ich atmete tief ein: „505.“
„Ich verbinde.“
Die blöde Kuh spielte hier tatsächlich Notting Hill!
„Sorry“, sagte sie. Es klang als hätte sie im Einkaufszentrum versehentlich jemandem im Weg gestanden.
„Sorry? Sorry? Für was? Dafür dass du mich rausgeworfen und meinen 500-Dollar-Helm ruiniert hast, dafür, dafür dass du drei Monate später unangekündigt vor meiner Tür auftauchst oder dafür, dass du einfach in meine Küche marschierst und dir nimmst was du haben willst?“
Und ich schaute mit offenem Mund zu, wie sie sich wortlos selbst rauswarf.
Tja, da sitze ich jetzt an Deck unseres neuen Bootes, friere wie Sau und tippe mit eiskalten Fingern auf meinem Handy herum.
Ich gehe jetzt nach unten. Schwere See hin oder her.
Ich soll aber im Salon bleiben, damit ich direkt nach oben kann, fordert Maze. Als ob das etwas ändern würde, wenn sie das Biest auf den Kopf stellt. Aber das tut sie nicht. Ich weiß genau, sie nimmt Fahrt raus, sobald ich unten bin. Dazu ist sie zu sehr Beschützerin. Womit habe ich sie nur verdient?
Anyway… Zurück zum Thema „Joana kennenlernen“.
War ich jetzt tatsächlich endgültig verrückt geworden?
Aber nein, ich hatte keine Halluzinationen. Joana stand wirklich mit einer Kaffeetasse in der Hand vor dem Automat und wartete ungeduldig darauf, dass er seine Arbeit aufnahm.
„Da muss erst Wasser rein“, sagte ich, legte meine Mütze auf den Tisch und zog den leeren Plastikbehälter aus der Maschine.
„Wasser?“ Sie schien genervt: „Bei uns geht das ohne.“
Ohne. Klar…
„Meine ist eben nicht so fancy, dass sie direkt an der Wasserleitung angeschlossen ist!“
Moment mal! Joana – DIE Joana – taucht drei Monate nachdem sie mich rausgeworfen hat bei mir auf und wir stehen in der Küche und fachsimpeln über Kaffeevollautomaten?!
„Was machst du hier?“, frage ich, nachdem ich den Behälter wieder eingesetzt habe.
WAS. MACHST. DU. HIER?!
Ich bin so blöd! *heul!
Ich bin so blöd!
„Störe ich dich vielleicht?“
Okay, die Frau hat Nerven!
„Hör zu, Joana, wenn du hier so eine Art Notting-Hill-Nummer abziehen willst – da bist du bei der Falschen.“
Ja, ich habe eindeutig den Verstand verloren. Mein Mund sagt etwas ganz anderes als mein Hirn ihm befiehlt.
Eigentlich hätte es heißen sollen: „Stören? Wie könntest DU stören? Komm, setz dich an den Tisch und erzähl mir, während ich dir einen Kaffee mache, warum du weinst! Ich bin immer für dich da! Zucker, Milch? Mich?“ Oderirgendeinen ähnlichen Schwachsinn!
Nach 3 Monaten (DREI!) steht sie vor meiner Tür, schaut mich von oben bis unten abschätzig an und fragt: „Wieso trägst du eine Uniform?“
Ist es mir dann zu verdenken, dass ich geantwortet habe: „Und wieso heulst du SCHON wieder?“
JA! – IST! – ES!
„Lässt du mich jetzt rein, oder nicht?“
„Äh…“ Mehr brachte ich nicht heraus. Immerhin bin ich zur Seite getreten und habe ihr die Tür aufgehalten.
„Danke“, nickte sie in einem Ton, der so selbstverständlich klang, dass ich fast Schuldgefühle bekam, weil seit ihrem Klingeln schon 20 Sekunden vergangen waren.
„Machst du die Tür auch nochmal zu oder wartest du noch auf jemanden?“ Sie stand schon halb in meiner Küche, während ich noch die Klinke in der Hand hielt. In diesem Moment war ich mir vermutlich nicht ganz sicher ob sie hier wohnte oder ich.
„Äh…“
„Gibt’s hier Kaffee?“
Gibt’s hier Kaffee?
„Kaffee?“ Es war nach 9 am Abend, ich war gerade von einem Flug zurückgekommen und mir stand der Sinn nach allem – nur nicht nach Kaffee!
Und den Türgriff hielt ich immer noch in der Hand.
Die Geräusche, die jetzt aus der Küche kamen, klangen nach meinem Kaffeevollautomaten. Joana war verschwunden.
„Danke… Nein…“, stammelte ich und schloß die Tür.
Die Rädchen in meinem Kopf begannen zu arbeiten: Joana, DIE Joana, stand in meiner Küche und machte sich einen Kaffee? War es jetzt soweit?
Passierte jetzt genau das, wovor mich die Neurologen und Psychiater immer wieder warnten? Waren das die ersten Halluzinationen? Würde ich jetzt neben meinem Verstand auch noch meinen Job verlieren?
Zu der Zeit in der ich Joana kennengelernt hatte, hielten sich meine Tablettenmengen noch so weit im Grenzen, dass ich nicht nur Motorradfahren, sondern auch noch arbeiten konnte.
Nachdem mich Joana rausgeworfen hatte, ging allerdings tatsächlich erst einmal drei Tage nichts mehr.
Ich habe Maze die Sache nicht erzählt, jedenfalls damals nicht – irgendwie war mir das zu peinlich gewesen.
Nach drei Tagen hatte sie sich dann mit ihrem Schlüssel für Notfälle Eintritt in meine Wohnung verschafft, hatte mich unter den Decken ausgegraben und mich unter die Dusche gestellt.
Maze fragt nicht, sie handelt.
Aber ganz ehrlich: Auch nach drei Monaten und zwei mal vier Wochen Dienst hatte ich die Sache nicht vergessen. Im Gegenteil, sie schien jeden Tag lebendiger zu werden!
Post Traumatic Stress Disorder?
Ehrlich: Ich hatte Joana seit meiner frühesten Jugend im Fernsehen und Kino bewundert, hatte tausend Mal mit dem Gedanken an sie masturbiert und jetzt…:
„Ist Heulen die Schauspielerantwort auf alles?“
Ich glaube, ich rammte in dieser Zeit meinen Kopf jeden Tag zigmal gegen die Wand! Wahrscheinlich habe ich deshalb heute diesen immensen Dachschaden. Was war das nur gewesen?
„Ist Heulen die Schauspielerantwort auf alles?“
Wie bescheuert war das? Konnte man das durch mein PTSD erklären?
Und dann, drei Monate nachdem sie mich hinausgeworfen hatte, stand sie vor meiner Tür, schob ihre schwarze Sonnenbrille ein Stück nach unten und musterte mich mit verheulten Augen: „Wieso trägst du eine Uniform?“
Ganz ernsthaft. Einfach so. Und die Tür hatte sie hinter mir zugeknallt.
Ich stand mitten in der Nacht in Bel Air, meine Lederjacke lag neben meinem Motorrad auf dem Boden und mein Helm rollte die Straße entlang. Danke schön. Den durfte ich neu kaufen.
Scheiß Stars!
Perfekt gemacht, Tammy!
Mein erster Gedanke war Chris (heute Maze) anzurufen und ihr zu sagen: „Du glaubst nicht, wer mich eben rausgeworfen hat.“ Andererseits hatte ich ihr auch nichts von Joana erzählt, also ließ ich es. Nicht, dass sie eifersüchtig werden würde, so war sie nicht, aber ich hatte keine Lust auf lange Erklärungen.
Also habe ich meinen Helm eingesammelt und bin nach Hause gefahren.
Zuhause würde ich dann meinen Kopf so lange gegen die Wand hauen, bis ich vergessen hatte, was ich mir eben versaut hatte. Und dann würde ich mich drei Tage lang besaufen und es selbst mit dem Heulen versuchen.
Wie dämlich kann eine einzige Lesbe eigentlich sein?
Konnte noch nicht mit Maze reden. Der Wind ist viel zu stark und Schmitz‘ Katze macht ihrem Namen alle Ehre.
Für die nächste Zeit werden wir getrennt schlafen müssen denn mindestens eine von uns wird an Deck gebraucht.
Anyway…
Joana ist damals durch eine echt schlimme Zeit gegangen.
Ihr (Traum)Mann – Sachen gibt’s – hatte sie verlassen und der Mensch, der sie immer wieder aufgebaut hatte, war kurz bevor wir uns getroffen haben, gestorben.
Ihre Freunde haben sie bemitleidet und ununterbrochen das berühmte Es-Wird-Alles-Wieder-Gut-Lied gesungen.
Ich eben nicht.
Wir hatten nur gesoffen.
Was noch wichtiger gewesen war: Ich hatte sie nicht angehimmelt! Was allerdings, das muss ich zugeben, am Alkohol und meinem Lesbeninstinkt gelegen hatte: Ich himmele keine Frauen an, wenn ich mit ihnen ins Bett will, ich lasse anhimmeln. Da machen auch Superstars keine Ausnahme.
Also hatten wir offensichtlich – soviel wir beide aus unseren Erinnerungsbruchstücken zusammensetzen konnten – tatsächlich nichts weiter getan als gesoffen, anzügliche Witze gemacht und uns gegenseitig erzählt, welche Dinge wir im Leben mochten – sie Kleider, ich Titten – und nicht ausstehen konnten – sie Kinder, ich Kinder.
Letzteres reichte für ein Wiedersehen. („Endlich mal ein Weib ohne diesen Mutterfimmel!“)
Aber zurück zum Es-Wird-Alles-Wieder-Gut-Lied: „Kannst du ignorieren, wenn ich heule?“ Das waren ihre ersten Worte, als sie mir in ihrer Residenz (Wie beschreibt man ein Schloß sonst?) gegenüber stand. Und: „Du bist doch die, die keine Kinder will, oder?“ Offensichtlich erinnerte sie sich an auch nicht viel mehr als ich.
„Bin ich?“, hatte ich gefragt, nicht sicher was ich ihr in dieser Suffnacht alles erzählt hatte um an ihre unerreichbaren Titten zu kommen.
„Bist du“, hatte sie bestätigt: „Ich erinnere mich an deine panische Miene als ich ‚Kinder‘ gesagt habe.“
Ich hatte genickt. Dann war ich das wohl gewesen.
Zu meiner Verwunderung sind wir nicht auf Barhockern an irgendeiner hauseigenen Bar gelandet, sondern im Schneidersitz vor einer Tasse Tee an einem offenen Kamin.
„Willst du nicht wissen, warum ich heule?“, hatte sie gefragt, bevor wir überhaupt richtig gesessen hatten.
Aha, eine Frau. Eine richtige Frau: Erst soll ich es ignorieren und dann…
Solche Fragen sind meistens gefährliche Fallen, das wusste ich. Warum ich als frauenliebende Frau bisher überlebt hatte lag daran, dass ich einfach sagte, was ich dachte – scheiß auf die Konsequenzen. Das ging mir durch den Kopf als ich nicht wusste was ich sagen sollte.
„Eigentlich hätte ich viel lieber Sex mit dir. Dann würde es dir sowieso gleich besser gehen.“ Okay, keine sehr tiefgehende Antwort aber immerhin eine ehrliche. Erst der Spaß, dann kann ich wegen mir auch mal mitfühlend werden.
„Ich heule und du redest von Sex?“
Ich nickte.
„Du baggerst mich ernsthaft an?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Ist das die Lesbenantwort auf alles?“
„Ist Heulen die Schauspielerantwort auf alles?“
BÄMM!
Und schon hatte sie mich rausgeworfen. Dumm gelaufen.
Viel Verkehr ist hier nicht. Wir sind etwa 20 Meilen nördlich der Hauptschiffahrtsstraße, direkt an der Küste unterwegs. Bei dem zur Zeit vorherrschenden Südwestwind macht es nicht viel Sinn weiter hinaus zu segeln. Außerdem geht es mitten im Kanal viel zu gedrängt zu. Vor allem für einen Segler. (Wobei die kleinen Boote hier vor der Küste viel nerviger sind. Der Göttin sei Dank, dass es Winter ist und sich fast nur Fischkutter aufs Wasser trauen.)
Wir machen nicht ganz soviel Fahrt (9kn) wie erwartet, doch immer noch genug um mein gestecktes Ziel zu erreichen. Allerdings ist der Wind auch nicht so stark wie erwartet und soll im Laufe des Tages aus einer noch ungünstigeren Richtung (nämlich WSW) kommen. Aber immerhin kommen wir dadurch einfacher von der Küste weg.
Wir sind mit dem Jib unterwegs und ich habe auch keine große Hoffnung, dass wir in den kommenden paar Tagen das Code 0 einsetzen können. Aber – Teufel nochmal – geht Schmitz‘ Katze mit dem Ding ab!
Bis jetzt macht das Boot – auch hier, außerhalb vom Solent – einen ziemlich guten Eindruck. Wenn man mal von den Autopiloten absieht. Die taugen wirklich nicht viel.
Während ich das schreibe, haben wir meine Heimatstadt Bournemouth (Poole Bay) passiert und sind jetzt auf der Höhe von Swanage. Falls es jemanden interessiert.
Ich werde mir jetzt erst einmal etwa zu essen besorgen und dann meinen Kopfhörer aufsetzen. So dicht an der Küste bekomme ich noch reguläres 4G, das werde ich ausnutzen um mein Handy mit Musik zu füllen. Per Satellit ist das immer ziemlich langwierig. UND TEUER! Das bisschen Social Media, das ich jeden Tag mache, kostet ja schon ein Vermögen!
Anyway…
Joana ist wirklich happy. Sie hing mindest eine Stunde am Videochat und ich musste mit ihr unter Deck durch das Boot laufen.
„Aber nur oben ohne“, sagte ich: „Wenn ich dich schon durch die Gegend schleppen muss!“
„Klar, zieh dich ruhig aus.“ Manchmal glaubt sie wirklich sie wäre witzig.
„Ich kann auch ausschalten.“
„Warum bist du so humotlos?“, fragte sie während sie sich auszog.
„Hat hier jemand etwas Witziges gesagt?“
„Besser?“ Sie lächelte.
„Zu schade, dass du mit den Dingern nicht in der Öffentlichkeit angeben kannst.“
„Soll ich?“
„Als ob…“
„Andere haben…“
„Als ob du dich jemals mit anderen vergleichen würdest.“
„Stimmt“, lächelte sie wieder: „Mir reicht es wenn sie dir gefallen.“
Die Frau ist 50 und hat Möpse wie eine 30 jährige. Und zwar echte! Wie macht sie das nur?! Ich fürchte meine kommen da nicht mehr mit. Sie faselt immer was von Hautpflege. Als ob das etwas damit zu tun haben könnte. Aber sie glaubt ja so gerne. Vor allem, wenn es um so etwas geht.
Tittenpflege ist wichtig
Auf jedem Fall ist sie begeistert von dem Boot. Vor allem auch von unserer Kabine.
Sie sagt, dass sie es gar nicht abwarten kann, wieder mit mir zu schlafen. Sie! Eine Hetero! Nein, niemand kann mir erzählen, dass sie ernsthaft eine lesbische Ader in sich hat. Jede Lesbe, die sie ficken würde, würde mir das bestätigen!
Küssen kann sie allerdings. Mich. Fucking hell, kann sie das!
Wäre es das was Lesbentum ausmacht, dann wäre sie lesbischer als ich.
Sie freut sich darauf in dieser Kabine mit mir zu schlafen und dann hat sie sich verbessert und hat das „mit dir“ durch „mit euch“ verbessert.
„Du redest von einem Dreier?“ Denn einen wirklich echten hat es zwischen Joana, Maze und mir tatsächlich noch nicht gegeben.
„Ich rede davon mit dir und Maze gleichzeitig zu schlafen.“ Joana ist mal wieder auf dem Trip nichts Unanständiges zu sagen. Aber mit zwei Weibern gleichzeitig ficken wollen…
„Du redest von…“
„JA! Verdammt! Du weißt wovon ich rede!“
„Ich weiß nur nicht, ob meine Ohren richtig funktionieren.“
„Hör auf, Tammy!“
„Okay. Aber eine Frage habe ich noch…“
„Pass auf was du fragst, sonst ziehe ich mich wieder an!“
„Warum Maze?“
„Warum ich mit Maze schlafen will…?“
„Ja.“
„Weil sie sexy ist.“
Öm… Ja… Habe ich was verpasst?
„Darüber reden wir dann nochmal“, grinse ich. Seit wann findet sie Frauen sexy?
Auf jeden Fall freue ich mich auf diese Nacht und auf das Gesicht von Maze wenn ich ihr das gleich erzähle!
Eigentlich wollte ich darüber schreiben, wie sehr ich mich gestern aufgeregt habe, doch das lasse ich wohl besser.
Wenn es mir so schlecht geht und ich kann nicht schreiben (weil ich nicht richtig sehen kann), dann lege ich mich ins Bett und versuche zu schlafen. Was in der Regel nicht funktioniert, weil ich nicht müde bin.
Musik geht nicht; so ein fahrendes Boot macht Krach. Kopfhörer ist auch nicht drin, weil der an mein Gesicht kommt. Also denken. Geht nicht, weil mir dann sofort das in den Sinn kommt, worüber ich mich aufrege. An Geschichten denken geht auch nicht, weil ich die sofort aufschreiben will, damit ich sie nicht vergesse. Manchmal nehme ich mein Diktiergerät und für später die Spracherkennung, das geht auch, ich mag es aber nicht so, weil die Fehlersuche mehr Arbeit ist als die Dinge direkt zu schreiben.
Was bleibt sind Gedanken an Sex und meine Spielzeuge. Geht auch.
Und wenn ich Glück habe, kommt dann Maze vorbei. Heute aber ganz bestimmt nicht, denn sie hat ja mit dem Boot zu tun.
Na ja, vielleicht, wenn ich es schaffe mich abzuregen, geht der Mist ja auch vorbei? Für das worst-case-scenario habe ich allerdings Tabletten in meinen Taschen, bzw. an und im Bett liegen.
Also Sex, Sex, Sex!
Ich werde jetzt daran denken, wie ich ganz langsam eine Möse öffne… ganz langsam eine Möse öffne… ganz langsam eine Möse öffne… 💤
Sobald es hell wird geht es los. Meine erste richtige Atlantik-Überquerung. Zumindest auf dem Wasser.
Ganz ehrlich: Ich bin tierisch nervös weil es für so etwas die falscheste Jahreszeit ist: Nur Westwinde und ein Sturm nach dem anderen. Für die kommenden Tage sieht es allerdings ganz gut aus.
Wir segeln weit südlich über die Azoren um die Wetterküche im Norden zu umfahren. Ist ein Umweg, aber kaum anders zu machen um diese Jahreszeit.
3.900 Meilen oder 7.300 Kilometer bis zu unserem Ziel Spanish Wells auf den Bahamas: Wir rechnen mit etwa 2-3 Wochen, je nach Wind und Aufenthaltsdauer auf den Azoren und Bermuda. Im Sommer würde das deutlich schneller gehen.
Mit der Anny X würden wir für die Strecke vermutlich 4-5 Wochen einplanen. Schmitz‘ Katze ist wirklich ein Biest!
Als ich ihr gesagt habe wie das Boot heißen wird, hat sie mir gesagt, das wäre ein Name für ein deutsches Kriegsschiff aber nicht für ein Segelboot! Ich habe fast auf dem Boden gelegen vor Lachen!
Das Lustige: Keine von den Amis kann das aussprechen! 😂 Mazikeen hat das einfach für sich auf Speedy Cat geändert. Trifft es zwar nicht ganz aber – was soll’s… Dabei klingt das so lustig, wenn sie sich an Schmitz‘ Katze probiert… 😂😂😇
Mit etwas Glück kommt Joana entweder auf den Azoren oder auf Bermuda an Bord.
Gesundheitlich geht es mir ziemlich scheiße gerade. Ich habe kaum geschlafen, weil die Tabletten im Moment schlecht wirken. Ich bin völlig zugedröhnt und trotzdem macht sich der Nerv zwischendurch mit Stromschlägen bemerkbar. Sogar ungetriggert, was vollkommen ungewöhnlich ist.
Vielleicht liegt es daran, dass wir gestern Abend das neue Boot mit Tequila gefeiert haben. Aber auch das wäre neu. Bisher hatte sich der Trigeminus noch nicht über Alkohol beschwert…
Vielleicht waren es aber auch die Briefe der IRS, die mir von der Steuerkanzlei gemailt worden sind. So ein Scheiß verursacht immer Megastreß. Angeblich reagiert der Nerv ganz gewaltig darauf. Ich habe mich aber auch gewaltig aufgeregt…
Na gut…
Aufgrund der Tabletten kann ich das Boot nicht aus dem Solent fahren und auch nicht an Deck bleiben, weil mein Gleichgewicht nicht so gut ist (erfreulicherweise ist der Wind noch nicht so stark, dass wir alle an Deck müssen). Das ist wirklich ärgerlich.
Der Solent
Wir haben mit der Frau vom Verkäufer und zwei anderen, angeheuerten Seglerinnen eine kleine All-Female-Crew. Zwei oder drei Wochen werden es die Hühner ja wohl miteinander aushalten… Aber Maze hat es nicht so gerne, wenn Schwänze an Bord herumhängen, wie sie das ausdrückt. Sie tut sich ja schon bei meinem Freund Ken schwer (der übrigens jetzt die Anny X in die Nähe von Miami in eine kleine Marina segelt, wo sie zum Verkauf überholt wird. Auch er fliegt dann auf die Azoren oder Bermuda, je nachdem wie lange er dort noch gebraucht wird. Die Crew der Anny X wird aufgelöst, Schmitz‘ Katze kann mit deutlich weniger Leute unterwegs sein. In der Regel werden das nur Ken, Mazikeen und ich sein. Wir sind mittlerweile ein eingespieltes Team. Jetzt, bei dieser ersten Fahrt und ohne den erfahrenen Ken wollen wir auf Nummer Sicher gehen.
Gerade machen meine Augen mal wieder nicht richtig mit. Alles verschwimmt. Das machen die Tabletten.
Das nervt so unglaublich. Vor allem wenn es dann auch noch nicht mal komplett hilft. Egal.
Wir haben unter der Bank im Salon eine ganze Batterie Treibstoffkanister untergebracht. Ausserdem unter einem Doppelbett.
Der Tank ist aber auch wirklich lächerlich klein!
Was hat der Vorbesitzer sich nur dabei gedacht keinen zweiten einzubauen?
Obwohl – wenn er keine Ozeanüberquerung vorhatte, würde vermutlich auch der Winztank reichen! Sofern er den Generator nicht überbeanspruchen muss. Wobei – fur genügend Solar- und Windenergie hat er ja gesorgt!
Na dann…
Joanna habe ich angerufen und ihr gebeichtet um wieviel ich gestern ihr Konto erleichtert habe.
„Okay“, hat sie gesagt. Einfach nur „okay“. Sie hat noch nicht einmal gefragt, wann sie das Geld zurückbekommt. Obwohl sie so ein Geizkragen ist – mir vertraut sie in diesen Dingen blind. Womit habe ich das eigentlich verdient?
Dann habe ich ihr die Sache mit meiner Ketsch, der Anny X, erklärt, dass sie sie mir abkaufen muss, weil ich eine 50ft-Luxusyacht gekauft habe. Die Differenz überweise ich ihr dann direkt am Montag.
„Du hast was gekauft?“
„Eine moderne Yacht. Für dich.“ Ich hätte jetzt auch „Für dich und deine Kolleginnen“ sagen können, aber man muss ja nicht alles aussprechen.
„Ernsthaft?“
„Habe ich in meinem Leben jemals Witze gemacht?“
„Aber du hast doch gesagt…“
„Tja…“
„Du hast mich mit Absicht zu Kreuze kriechen lassen…“
„Irgendwer muss es ja tun.“
„Du wolltest, dass ich zuerst nachgebe…“
Schlauberger: „Ich entscheide selbst was ich für ein Boot fahre.“
„Unsinn! Du wolltest mir zeigen, wer der Boss ist…“
Wer ist hier die Chefin?
„Wenn du das unbedingt sooo ausdrücken willst…“
„Bist du jetzt zufrieden, Tammy?“
Oh-oh – sie nennt mich ‚Tammy‘: „War ich. Jetzt irgendwie nicht mehr so.“
„Gut. Ich finde das nämlich nicht in Ordnung von dir!“
„Ich dachte…“
„Hör schon auf! Hast du wirklich geglaubt, ich würde das gut finden? Wie lange kennst du mich jetzt?“
Hat die ihre Tage?
„Natürlich finde ich das mit dem Boot gut. Was das andere angeht, fühle ich mich ein wenig verarscht.“
Die HAT ihre Tage!
„Am liebsten würde ich jetzt sagen, dass du das Boot zurückgeben sollst!“
Menopause. Das MUSS die Menopause sein!
„Aber dazu freue ich mich viel zu sehr!“
Hä?
„Und mit dem kann man jetzt nicht untergehen?“
Nicht die Menopause. Es muss irgendwas mit ihrem Kopf sein!
„Kannst du mal Bilder schicken?“
Ganz bestimmt NICHT!
„Tammy?“
„Ja? Ähem… Hier?“
„Danke!“
„Für was?“ Frau kann nicht vorsichtig genug sein, wenn die andere ihre Tage hat!
„Dass du das gemacht hast! Für so etwas liebe ich dich! Kein Mensch sonst würde so etwas tun!“
Dass mir die nie jemand von ihren Traumschloss holt: „Ich liebe dich eben! Ich könnte mit dem Gedanken, dass du ständig Angst haben würdest, nicht leben.“
Sie dreht auf der Stelle, ist nervös wie eine Katze auf Speed und hat so viel Cruising-Qualitäten wie Oma mit Rollator…
Tja…
Der Vorbesitzer hat sich mit dem Umbau wirklich Mühe gegeben, es ist erstaunlich, wieviel Luxus man in so ein Rennboot packen kann und wieviel Raum dann doch zur Verfügung steht!
Leider muss man jedes Mal die halbe Wohnungseinrichtung ausbauen, wenn man mal an eines der Systeme möchte (z. B. Wassertanks oder – aufbereiter). Was ziemlich häufig vorkommt.
Ausserdem konnte er dem Boot natürlich keine andere Ruderanlage verpassen und man hält eine Stange in der Hand statt einem Steuerruder! Von der „Sitz“position einmal ganz zu schweigen…
Mit dem Cockpit hat er sich auch wieder erstaunlich viel Mühe gegeben, gar nicht mal so schlecht, doch für ein Cabrioverdeck, bzw. entsprechende Umbauten, hat das Geld wohl nicht mehr gereicht.
Immerhin sind vernünftige Cruisingsegel drauf. Nur das Code 0 – da tippe ich auf die Racingvariante.
Was man ausserdem immer noch klar merkt – trotz aller Veränderungen – ist, dass das Boot für eine Crew gemacht ist. Segel bergen, reffen, etc. – das wird für eine Person nicht unmöglich aber doch ziemlich aufwendig werden. Muskeln und Geschick sind gefragt. Was im Endeffekt bedeutet: es kostet viel Zeit. Also besonders vorausschauend fahren…
Zum Thema Vorausschauend: Der Dieseltank ist gefährlich klein. Da muss ganz schnell etwas passieren!
Man kann sie ohne Crew fahren. Zu zweit, wenn es denn sein muss, aber ratsam ist das nicht. Alleine nur bei einem Selbstmordversuch.
Sie hat sämtliche Elektronik und auch die gängigen Autopiloten an Bord. (Wobei es Maze ein Rätsel ist, wie die das geschafft haben, aber sie funktionieren leidlich, wenn man nicht zu schnell wird und keine Wunder erwartet.)
Auf jeden Fall geht sie wie Schmitz‘ Katze! 32kn apparent, close hauled 😳, keine Groß, nur mit dem Nr. 4, sagenhafte 10,5 Knoten 😲 bei nur 23° heel! Auf dem Rückweg haben wir es dann mit dem Code 0 bis auf 17,5 getrieben, bevor wir auf Bitten des Verkäufers zurück auf die gefurlte Jib sind. Der Arme hatte Angst um die fliegenden Focks. Kann ich ja verstehen… 😞
Mit unserer Ketsch wären das 5 und 7,5 Knoten geworden. Ist eben kein Rennboot. Aber da dauert jede Reise – wenn man es dann darauf anlegt – mehr als doppelt so lange. Und das ist bei einer Atlantik-Überfahrt ein Unterschied von 2 gegenüber 4 Wochen!
Bei solchen Zahlen können wir den großen Wettersystemen gut aus dem Weg gehen.
Und ja: Natürlich werden wir sie kaufen. Der Besitzer muss wirklich mit dem Rücken zur Wand stehen, so weit wie ich den Preis noch drücken konnte!
Maze lacht immer noch darüber.
Wobei sie wahrscheinlich nicht mehr lacht, wenn sie zuschauen muss, wie sich ihr Erspartes in die Umbauten verabschiedet…
Den Vertrag mache ich noch heute und benutze auch meine neue Kreditkarte. Maze wird währenddessen bunkern und morgen geht es los. Ich denke aber nicht, dass wir die Überfahrt ohne zumindest eine kleine Crew machen werden. Aber sailor for hire gibt es hier ja in rauen Mengen.
Lebensmüde bestimmt auch.
Eine Katze auf Speed
Ach ja – Joana werde ich dann wohl auch mal informieren müssen. Nachdem die Kreditkarte akzeptiert worden ist. Was für ein Boot das genau ist, muss ich ihr ja nicht unbedingt auf die Nase binden, davon versteht sie ja sowieso nichts. (Und ihre Kosmetikerin bekommt es ja nicht zu sehen.)
Es reicht ja, wenn ich sage, dass es ein 50ft-Luxuscruiser ist. Das ist nicht gelogen. Ich muss ja nicht unbedingt dazusagen, dass er als 50ft-Rakete geboren wurde. Ein Transgender-Boot sozusagen.
Drei Monate? Vier? Ich fühle mich fast wie neugeboren. Meistens.
Ich weiß jedoch auch, dass ich ihr nicht auf ewig entkommen kann. Sie ist da. Sie wird immer da sein.
Joana sagt das auch.
Maze allerdings will das nicht wahrhaben. Ich werde dich einfach keine Sekunde aus den Augen lassen, sagt sie. Wenn das so einfach wäre.
Sie weiß natürlich ganz genau, dass das so nicht funktioniert.
In meinem Kopf ist sie sowieso, da kann niemand etwas daran ändern. Das heißt, ich habe es versucht, immer wieder, es hat nur leider nichts gebracht. Und ich kann – will – meine Zeit nicht damit verplempern es wieder und wieder zu versuchen. Wo ich doch genau weiß, dass sie jedesmal wiederkommen wird. Forever.
Es ist alles eine Frage der Akzeptanz, glaube ich. Was ich nicht ändern kann, akzeptiere ich eben. Ich habe keine Lust mein Leben damit zu verschwenden gegen Windmühlen zu kämpfen. Vor allem dann nicht, wenn ich weiß, dass es Windmühlen sind!
Solange es nur mich betrifft, kann ich damit leben.
Warum sollte ich gegen Windmühlen kämpfen?
Ich bin sehr froh, dass ich in J. – Forever über Zoe und mich geschrieben habe. Es wurde Zeit. Ich bin sicher, es gibt eine Menge Leser, die es nicht begriffen haben, aber auch einige, die zwischen den Zeilen gelesen haben. (Was, ganz ehrlich, doch wirklich nicht so schwer sein konnte!)
So jedenfalls waren die Reaktionen. Es ist auch nicht weiter wichtig, weil ich es für mich geschrieben habe. It’s out there now. Aus mir. Das war der Punkt.
Ich habe schon lange aufgehört darüber nachzudenken, ob ich anders bin.
Jeder ist anders. Punkt.
Mir fällt es nur hin und wieder auf, wenn mir Leute wie dieser Wachmann begegnen. Ob sie nun homophob sind oder lesbengeil: sie glauben, ich sei anders und damit Freiwild. Zum dumm anmachen oder Schlimmeres.
Ja, der Typ war auch anders. Nämlich krank. Im Kopf. (Jetzt hat er auch noch blaue Flecken und Rückenschmerzen, danke Maze.)
Prinzipiell habe ich ja nichts dagegen, wenn die Leute sich wegen mir einen runterholen. Die meisten Frauen ekelt das an, habe ich mir sagen lassen. Mich nicht. Meistens ist mir das egal, manchmal finde ich es irgendwie cool. Kommt drauf an.
Was ich nicht ausstehen kann ist, wenn Leute glauben etwas besseres zu sein, nur weil sie darauf stehen Schwänze und Fotzen zu konnektieren. Als ob das eine Leistung wäre.
Wenn ich das gut finden würde, könnte ich das auch und ich wette ich hätte nicht weniger Typen im Schlepp als vergleichbare andere Weiber. Wenn nicht noch mehr.
Und beim Sex? Mmh…? Die Weiber jedenfalls stehen auf mich, falls sie nicht alle lügen.
Dass ich aufgehört habe über dieses bescheuerte angebliche Anderssein nachzudenken, heißt nicht, dass ich mir jede Unverschämtheit gefallenlasse. Wozu habe ich meinen persönlichen Dämon?
Ich habe Mazikeen gebeten, mir solche Idioten vom Hals zu halten. Schwänze oder Fotzen – egal.
Ich weiß, Gewalt ist keine Lösung, heißt es. Wer sagt, dass ich nach Lösungen suche?
Irgendwie ist das schon geil mit einer fremden Kreditkarte zu bezahlen.
Es steht zwar mein Name drauf, nur das Geld gehört mir nicht. 🙈 Das Plastik war eines von Joanas Geburtstagsgeschenken.
„Damit du mir mal ein paar Blumen kaufen kannst“, hat sie gesagt. „Oder einen Ring oder so.“
Ich nehme an, eine Yacht geht auch, oder?
Auf jeden Fall habe ich mal spaßeshalber diesem Realtor, mit dem ich damals essen gegangen bin, die Karte hingehalten. Wie heißt das in Deutschland? Boah ey…?
Vorsicht, Mazikeen!
Spaß beiseite: Natürlich kann ich mir damit nicht kaufen was ich will – ist ja nicht mein Geld. Doch ich finde es schon ziemlich spannend so etwas in der Hand zu halten, mit dem Wissen ich könnte…
Die Karte ist ja auch nur dazu gedacht, dass ich mir einfach kurzfristig etwas ausleihen kann oder Dinge für sie kaufen kann, wenn sie mich darum bittet. Aber cool ist es schon.
Anderes Thema:
Wir sind eben in den Hafen und einer von der Security hat Maze und mich grinsend angeschaut, weil ich mich bei ihr eingehängt und meinen Kopf auf ihre Schulter gelegt hatte. Nehme ich mal an.
Sekundenbruchteile später hing der Typ mit dem Gesicht zwischen den Streben des Metallzauns mit ihrem Knie im Rücken. Sie versteht da wirklich keinen Spaß.
Unser Bootsverkäufer sah aus, als hätte er einen Geist gesehen.
So ähnlich, so ähnlich…
„Lass ihn los, Maze. Und bitte brich ihm ausnahmsweise nicht das Genick.“ Man muss sie bei so etwas immer nett bitten.
„Ich darf nicht?“
„Nein.“
„Schade.“ Dann hat sie ihm die Beine weggetreten: „Du grinst meiner Freundin nochmal dumm hinterher und ich trete dich DURCH den Zaun!“
Er nickte brav, während er sich wieder aufrappelte.
Ja, ja, Maze… 🙄
Man darf sie einfach nicht mit normalen Menschen mischen! Man darf sie eigentlich nur in ein dunkles Zimmer mit der Warnung „Vorsicht! Radioaktiv!“ sperren.