Schon früher hat Chris immer versucht diejenige von uns beiden zu sein, welche die andere, mich, beschützt. Das hat nie so wirklich funktioniert, weil ich ebenfalls Kampfsport mache und – ganz ehrlich – ihr dabei immer überlegen war.
Dass ich Chris in letzter Zeit mit Mazikeen* assoziiere – und sie sogar einmal versehentlich Maze** genannt habe – hat natürlich Gründe.
(Chris hat natürlich sofort nachgeschaut, wer oder was Mazikeen – Maze – ist, und hat festgestellt, dass es sich um einen weiblichen Dämon handelt, einen der stärksten und mächtigsten aus der jüdischen Mythologie. Sie ist eine Lilim, Tochter der Lilith – in der mesopotamischen Religion ein Dämon der Nacht, der Männer attackiert. Alles in allem also ganz nach ihrem Geschmack. Dass Dämonen keine Seele haben, stört sie nicht weiter, denn wer hat schon eine?)
„Warum nennst du mich nicht einfach Maze?“, hat sie mich gestern Abend gefragt und alle Flüssigkeiten der Welt sind auf der Stelle in meine Möse gestürzt. Wie macht sie das nur immer?

Wie auch immer…
Joana ist da ganz anders. Sie ist keine Beschützerin. Jedenfalls nicht selbst. Sie schleppt in der Regel einen oder zwei Bodyguards hinter sich her, die regeln das dann. Sie persönlich beschützt gerne finanziell, das ist jedoch eine ganz andere Geschichte. Für Joana bin ich – leider muß ich inzwischen „war ich“ sagen – die Beschützerin. „War ich“ weil es mit mir eben nicht mehr so weit her ist mit beschützen.
Das ist nämlich das eigentliche Thema. Durch die ganzen verdammten Tabletten hat es sich langsam mit mir als Beschützerin erledigt. Mittlerweile falle ich hier den halben Tag durch die Gegend als hätte ich etwas getrunken. Und meine Kondition ist vermutlich die einer 70jährigen regionalen Vizemeisterin im Kampfstricken.
Maze – Chris – hingegen hat sich genau in die andere Richtung entwickelt. Sie trainiert von morgens bis abends, kickboxt auf dem Boot gegen andere Dämonen, stemmt alles was nach Gewicht aussieht, besteht darauf jedes verdammte Segel möglichst alleine hochziehen und klettert die Maste rauf und runter wie eine hungrige, läufige Schimpansin. Sobald wir irgendwo stoppen ist sie weg. Im Wasser. Und versucht den Weltrekord im Langstreckenkraulsprintschwimmen zu brechen. Sollte irgendwo Land in Sicht sein, versucht sie das gleiche auf der Marathonstrecke.
Mir soll es recht sein. Es gibt nichts Geileres als von oben bis unten jedes Tröpfchen Schweiß von ihrem Körper zu lecken.
Auf jeden Fall bin ich gewaltig ins Hintertreffen geraten. Heute wäre ich nur noch ein zweitklassiger Sparringspartner für sie.
Dann ist das eben so.
Ich habe meine Überlegenheit verloren aber eine megageile Beschützerin gewonnen: Mazikeen, die Lilim, die männerattackierende Dämonin der Nacht.
Ist das nicht geil?
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* Mazikeen, gesprochen „Mesekien“ ** Maze, gesprochen „Mäis“